Obwohl die mehr als sieben Millionen Einwohner der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong auf ihren hügeligen Inseln wirklich nicht viel Platz zum leben haben, präsentiert sich die Stadt geordnet und sauber: Fußgänger warten darauf, dass die Ampel auf grün springt, ohne dass sich ein Auto nähert, an Bushaltestellen gibt es für jede Linie eine eigene Schlange und in der U-Bahn wird nicht gedrängelt. Wir lesen von „Cage-People“, die sich wegen der horrenden Mieten nur winzige Behausungen („Käfige“) leisten können und sehen im Stadtbild trotzdem kaum Armut. Dafür laufen elegant gekleidete Menschen an kaum zählbaren Rolex-Läden und Luxusboutiquen in der Größe von Warenhäusern vorbei, und europäische Luxuskarossen rollen zwischen den spiegelnden Fassaden der Wolkenkratzer hindurch.
Doch trotz allem Glitzer und Business ist die Stadt nicht langweilig, denn es gibt etliche spannende und charmante Ecken, in denen man stundenlang herumstreuen und viel entdecken kann. Außerdem lädt Hongkong dazu ein, sich durch fast alle Küchen Asiens zu probieren. Während unseres dreitägigen Zwischenstopps auf dem Weg nach Neuseeland haben wir allerdings nicht alle geschafft. Hier erfahrt ihr, was wir erlebt haben und empfehlen können.
Unterkunft
„Hop Inn on Mody“ – Spartanisch und teuer, dafür zentral und familiär
Ein Aquarium als Badezimmer, verwischte Bleistiftzeichnungen an den Wänden und die Aussicht auf eine enge, dunkle Gasse – unser winziges Zimmer im Tsim-Sha-Tsui-Bezirk von Kowloon war zwar nicht die gemütlichste Unterkunft, aber wir waren schließlich in Hongkong, um uns die Stadt anzusehen. Und das geht vom „Hop Inn on Mody“ (www.hopinn.hk/index_en.php) aus ziemlich gut. Es liegt versteckt im fünften Stock eines Gebäudes im Viertel Tsim Sha Tsui in der verhältnismäßig ruhigen Mody Road. Da kein Schild auf das Hostel hinweist, hatten wir es einem der vielen Lockvögel für Schneidereien zu verdanken, dass wir nicht an dem Eingang vorbeigelaufen sind. Statt „want a suit?“ fragte er angesichts unserer ratlosen Gesichter „hostel?“ Und wies auf den Eingang. Gut, dass wir ihn nicht aus Reflex abgewimmelt hatten.
In dem nett eingerichteten, leicht abgegriffenen Hostel gibt es neben Doppel- auch Mehrbettzimmer, einen Gemeinschaftsraum mit durchgesessenen Sofas und einen offenen Küchenbereich. Es herrscht eine familiäre und internationale Atmosphäre, wie sie für Hostels typisch ist, und unter den Gästen gehörten wir eher zu den älteren. Für vier Nächte haben wir 228 Euro bezahlt, was für Hongkonger Verhältnisse relativ günstig ist – sogar für ein Hostel.
Ausflüge und Unternehmungen
Big Buddha: Es hätte so schön sein können
Ein Trip zum „Big Buddha“ (eigentlich Tian Tan Buddha) auf Hongkongs Lantau Island kann ein schöner Ausflug sein – wenn man ihn gut plant. Wir haben das nicht getan.
Ungeduldig wippe ich von einem Bein auf das andere, während ich die Tragriemen meines Rucksacks immer deutlicher auf meinen Schultern spüre. Endlich schiebt sich die Schlange ein paar Schritte weiter in Richtung Ticketschalter, der ersten Etappe auf dem Weg zum „Big Buddha“. Während meine Gesichtszüge meine sinkende Stimmung nur schwer verbergen können, scheint den meisten um uns herum die Warterei überhaupt keine Probleme zu bereiten. Selbst Rentner und Familien mit Kindern können nach eineinhalb Stunden zwischen den mäandernden Absperrbändern noch lachen und vergnügt plaudern. Kurz bevor wir an der Reihe sind, die Eintrittskarten zu kaufen, schließen die Schalter: Die Seilbahngondeln kommen mit dem Transport der Menschenmasse nicht nach (Tipp an dieser Stelle: Karten vorher im Internet kaufen). Irgendwann halten wir die Tickets in den Händen und biegen beschwingt um eine Ecke – und laufen in die nächste Schlange.
Nach weiterer Warterei schaffen wir es schließlich in eine der Kabinen, die uns über Wasser und grünes Dickicht hinweg empor in Richtung unseres Ziels trägt – und immer weiter in die tief hängenden Wolken hinein. Zweiter Tipp: Bevor man sich zum „Big Buddha“ aufmacht, sollte man einen Blick in die Wettervorhersage werfen. Denn auf dem Hügel angekommen, sehen wir von der Statue in der Ferne zunächst nur schemenhafte Umrisse.
Vorbei an Subway, Starbucks, Gift Shops sowie vielen weiteren Geschäften und Lokalen laufen wir mit dem Besucherstrom auf die Statue zu, die auf einem weiteren Hügel oberhalb der buddhistischen Klosteranlage Po Lin thront. Nach 288 Stufen und etlichen Ausweichmanövern um Selfie-Fotografen herum, haben wir es geschafft und stehen auf der Plattform unterhalb des im Schneidersitz ruhenden, rund 34 Meter hohen Heiligtums. Aus der Nähe stören auch kaum Wolken den Blick auf die Figur und wir sind beeindruckt. Nach einer Runde auf der Plattform machen wir uns auf den Rückweg zur Seilbahn und stoppen schon nach ein paar Metern im Nieselregen an einer weiteren Schlange. An deren Ende stellt ein junger Mann gerade ein Schild auf. Voraussichtliche Wartezeit auf: 90 Minuten.
Trotz der Widrigkeiten würden wir Hongkong-Besuchern, die ein paar Tage in der Stadt verbringen, die Fahrt zum „Big Buddha“ bei guten Wetter empfehlen. Zur Seilbahnstation gelangt man innerhalb von rund 20 Minuten von Kowloon aus mit der U-Bahn.
Mong Kok: Bodenständigkeit statt Bling-Bling
„Just cash.“ Mist, schon wieder. Da wir unsere Hongkong-Dollar schon auf den Kopf gehauen hatten, waren wir an unserem letzten Tag in der Stadt nur mit ein paar Cents und Kreditkarten unterwegs. Doch mit Plastikgeld kamen wir in den Restaurants von Mong Kok nicht weiter. Das war schade, denn anstelle von weiteren Rolex-Läden gibt es dort neben einem großen Lebensmittel-Markt voller exotischer Obst- und Gemüsesorten auch jede Menge vielversprechende Lokale. Darunter etliche, die aussahen, als würde dort ordentliche kantonesische Küche serviert.
Dennoch hat sich der Spaziergang kreuz und quer durch die teilweise leicht heruntergekommenen Straßen des Viertels absolut gelohnt. Schon baulich unterscheidet sich Mong Kok mit seinen vergleichsweise Flachen Häusern vom Rest Kowloons. Zwar gibt es auch dort McDonalds- und Seven-Eleven-Filialen, aber eben auch eine Menge eigen- und bodenständiger Läden sowie Lokale, die mir oft ein „da kann man bestimmt auch gut essen“ entlockt haben. Beim nächsten Besuch in Hongkong kommen wir wieder – mit Taschen voller Cash!
SoHo: Hipster-Viertel im Hongkong-Style
Wenn sich das Verlangen nach einer kunstvoll mit Latte Art verzierten Kaffeespezialität, einem Craft Beer oder einem Burger bemerkbar macht, empfiehlt sich ein Rundgang durch das Viertel SoHo (South of Hollywood Street) in Central. So international wie die Abkürzung (siehe London und New York) sind auch die Restaurants, Coffee Shops, Bars und Restaurants. Dort sind vor allem westliche Touristen in Lokalen anzutreffen, die ganz ähnlich auch in Szenestadtteilen anderer Großstädte zu finden sind.
Trotzdem hat SoHo ein eigenes Flair. Wir haben das Café „Barista by Givrès“ (7 Staunton Street) mit einem Tresen am Fenster besucht, an dem die Central Mid-Levels Escalator, ein System aus 20 Rolltreppen, jede Menge Menschen vorbeiführen, sodass wir jede Menge zu gucken hatten. Neben Kaffeespezialitäten gibt es dort leckere, kunstvoll zu Blüten geformte Eiscréme.
Vorbei an Galerien, Boutiquen und Antiquitäten-Läden gelangt man zum 1847 erbauten Man-Mo-Tempel, einem der ältesten Tempel in Hongkong. Allerdings sollte man darauf gefasst sein, gut durchgeräuchert wieder hinauszukommen, denn dort quiemeln Hunderte Räucherstäbchen als Opfer für die Götter der Literatur (Man) und des Krieges (Mo). Der Eintritt ist kostenlos, es wird jedoch eine kleine Spende erbeten.
Victoria Peak: Steile Bahnfahrt zu spektakulärer Aussicht
Eine Fahrt auf den Victoria Peak gehört zum Standardprogramm eines Hongkong-Besuchs. Denn von der höchsten Erhebung der Stadt (552 Meter) kann man die Skyline von hinten, also in Richtung Wasser betrachten. Wer keine Lust auf eine Wanderung hat, kann mit der „Peak Tram“ (www.thepeak.com.hk/en), einer 1888 eröffneten Seilbahn, von der Haltestelle an der Garden Road in Central den Berg erklimmen. Die teilweise sehr steile Fahrt endet an einem mit Gift-Shops und Kettenrestaurants vollgestopften Gebäude, dessen Dachterrasse einen spektakulären Rundumblick auf die Stadt ermöglicht. Das Hin- und Rückticket inklusive Zugang zur Dachterrasse kostet etwa elf Euro. Wir mussten ziemlich lange anstehen, das sollten Reisende beachten.
Kulinarische Erlebnisse
„N1“ (34 Mody Road, Tsim Sha Tsui): Frühstück in Trendcafé stärkt uns für den Tag
Klar, Eier Benedikt, Bagel und englisches Frühstück sind fast überall zu haben, dafür muss man nicht nach Hongkong. Dennoch haben wir zwei Mal unsere erste Mahlzeit der Tages im Café „N1 Coffee und Co.“ an der Moody Road eingenommen. Zum einen, weil es nur wenige Meter von unserem Hotel entfernt lag, sodass wir unseren leeren Frühstücksmägen eine lange Suche ersparen konnten. Zum anderen war das Essen lecker sowie frisch zubereitet, der Kaffee gut und der Laden angenehm. Insgesamt arbeiten dort zur Frühstückszeit rund fünf überwiegend junge Leute, obwohl es nur rund 20 Sitzplätze gibt. Dennoch mussten wir ziemlich lange auf unsere Bestellungen warten. Aber es hat sich gelohnt.
Beim Stich in die Eier ergoss sich das Eigelb über das mit Speck belegte Brot und auch die Sauce Hollandaise war in Ordnung, wenngleich wohl nicht hausgemacht. Der Bagel mit Lachs sowie die pochierten Eier mit Avocado auf Brot waren ebenfalls voll okay.
„Caterking Dim Sum“ (3 Hau Fook Street, Tsim Sha Tsui): Teigtaschenglück
Dim Sum sind die perfekte Mahlzeit Leute wie mich, die sich beim Essengehen schwer entscheiden können. Denn anstatt sich auf ein Gericht festzulegen, bestellt man mehrere Sorten dieser Köstlichkeiten. Meist handelt sich dabei um kleine, gefüllte Teigtaschen, die frittiert oder in einem Bambus-, beziehungsweise Metallkörbchen gedämpft werden. In Hongkong gibt es eine schwer zu fassende Auswahl an Lokalen, die Dim Sum anbieten. Wir sind daher einfach in Tsim Sha Tsui losgezogen und haben unser Bauchgefühl entscheiden lassen. Es hat uns zu „Caterking Dim Sum“ geführt und damit nicht enttäuscht. Die Wände des Ladens zieren etliche semi-offiziell aussehende Auszeichnungen für die Küche – soweit wir sie interpretieren konnten, denn sie waren auf Chinesisch geschrieben. Das Interieur ist hell und die Bedienung effizient. Nachdem wir unsere Kreuze auf der Speisekarte gemacht hatten, dauerte es nicht lange bis die ersten Teilchen auf unserem Tisch landeten.
Unser Favorit machte den Anfang: fluffige, mit würzig-süßem Barbecue-Schweinefleisch gefüllte Dampfbrötchen mit einer leicht knusprigen, zuckrigen Kruste. Außerdem hatten wir zarte Teigtaschen mit Hackfleisch- und Gemüsefüllung, wunderbar glibschige Reisnudelrollen und weitere Dampfbrötchen mit fleischigem Inhalt. Dazu ein Tsingtao-Bier aus der Dose – perfekt.
Fu-Unmaru (30 Mody Road, Tsim Sha Tsui): Tsukemen – Ramens entfernter Verwandter
Wild blubbert die kochend heiße Brühe in den beiden schweren Schüsseln auf unserem Tisch. Daneben kleine Schälchen mit Nudeln, Frühlingszwiebeln sowie Schweinehack und -bauch. Wir sind im „Fu-Unmaru“ an der Mody Road in Tsim Sah Tsui und probieren das japanische Suppengericht Tsukemen, das an Ramen erinnert. Die sehr reichhaltige Brühe basiert auf Fischpulver und Schweineknochen und in ihr schwimmen Kohl, etwas von dem wir glauben, es sei eine Art Rettich sowie ein gekochtes Ei.
Die Kombination aus allem ergibt eine wunderbar würzige Mahlzeit, wenngleich der Fischpulvergeschmack erst etwas gewöhnungsbedürftig ist. Am Abend stehen vor dem Lokal Hungrige zu Dutzenden Schlange, während unseres späten Mittagessens sind jedoch nur drei weitere Tische in dem im japanischen Stil eingerichteten Restaurant besetzt.
Taiwanesisch: Auf Mitleid folgt Genuss
Irgendwann hatte das australische Paar am Nebentisch Mitleid und bot uns Hilfe an. Ratlos hatten wir zuvor die in Chinesisch verfasste Speisekarte studiert und wussten nicht, wo wir unsere Kreuze setzen sollten. Allerdings waren die beiden ebenfalls sprachlich nicht ganz sattelfest, sodass unsere Bestellung auch nach eingehender Beratung noch ein Glücksspiel war.
Aber wir gewannen. Wir bekamen leckere, mit Fleisch und Gemüse gefüllte Teigtaschen, sowie herzhafte Nudelsuppen mit Fleischstücken, die wir nicht identifizieren konnten (für deren Verzehr dieser mutmaßlichen Innereien waren wir jedoch nicht mutig genug). Vor lauter Aufregung haben wir leider vergessen, uns den Namen des Restaurants zu merken.
Nahverkehr: Verirren kaum möglich
In Hongkong mit der U-Bahn (MTR, www.mtr.com.hk) unterwegs zu sein ist in etwa so entspannt, als würde man sich auf einem Fluß treiben lassen und nur ab und an leicht mit den Händen paddeln, um zu lenken. Die Stationen sind in der Regel sehr übersichtlich, man weiß stets, wo es langgeht, lässt sich von Laufbändern durch die teilweise ausgedehnten unterirdischen Bahnhöfe fahren und an den Fahrscheinautomaten verstellen keine komplizierten Zonen- und Linienpläne den Kauf des richtigen Tickets. Dabei empfiehlt es sich, die wiederaufladbare „Octopus-Card“ zu kaufen (www.mtr.com.hk/en/customer/tickets/more_octopus.html). Sie kostet 150 Hongkong-Dollar, davon stehen 100 als Guthaben zur Verfügung und 50 bekommt man bei Rückgabe der Karte wieder. Der Fahrgast legt die Karte an der Schranke zur U-Bahn einfach auf ein Feld, der fällige Betrag wird abgebucht und der Rest angezeigt.
Im Hongkonger Untergrund läuft man selbst mit geschlossenen Augen nicht Gefahr, auf die Gleise zu fallen, weil diese nicht direkt zugänglich sind. Hält ein Zug, öffnen sich an seinen Eingängen Türen in einer Absperrwand und Markierungen auf dem Boden zeigen die Ein- und Ausstiegswege. Und daran halten sich die Leute tatsächlich. Es steht also in der Regel niemand direkt vor der Tür, der sich panisch vor Angst, dass er den zwei Schritte vor ihm stehenden Zug verpasst, durch den Strom der Aussteigenden drängelt. Die Züge sind nicht in separate Waggons unterteilt und oft so lang, dass man selbst von der Mitte aus nicht die Enden sehen kann. Da es dort drinnen ziemlich zugig werden kann, ist es gut, für längere Fahrten einen Pullover oder eine Jacke dabei zu haben.
Um von Kowloon nach Hongkong Island zu gelangen, empfiehlt es sich allerdings auf dem Wasser, statt unter der Erde, hinüberzusetzen. Denn bei einer Fahrt mit der traditionellen „Star Ferry“ (www.starferry.com.hk) bietet sich zu einem kleinen Preis ein wunderbarer Blick auf die Skylines beider Stadtteile.
Was bleibt?
Wir haben Hongkong mit dem Gefühl verlassen, noch viel entdecken zu können. Die Stadt ist eine spannende Mischung aus Tradition und Moderne, vor dem Hintergrund einer britischen Kolonialzeit, die erst vor gut 20 Jahren endete. Daher ist Hongkong auch schwer mit anderen chinesischen Städten zu vergleichen, die bis in die 1990er-Jahre noch ziemlich abgeschottet waren. Im Schatten der geradezu ordinären Luxuskultur, die vor langen Schlangen vor Filialen der Luxusmarke Hermès sorgt sowie vertraut wirkenden Szenevierteln, gibt es viele Ecken, die von Einzigartigkeit dieser in mehr als 100 Jahren entstandenen Mischung von Ost und West geprägt sind.
Wow, echt schöne BilderBilder, die die wunderbar kurzweilig verschriftlichten Eindrücke veranschaulichen!